PARLOA: DIESE KI MACHT HIRNLOSE CALL-CENTER-BOTS üBERFLüSSIG

Das Berliner Start-up Parloa hat für seine KI-Anwendung für Call Center fast 100 Millionen Dollar eingesammelt, angeführt von US-Investoren. Als Business Angels sind zwei deutsche Fußballhelden an Bord.

Deutschen Gründern wird, gerade von US-Investoren, des Öfteren vorgeworfen, sie dächten nicht „groß genug“. In dieser Hinsicht muss sich Malte Kosub keine Sorgen machen. „Wir wollen Weltmarktführer werden, einen Milliarden-Konzern aufbauen“, so der unbescheidene Anspruch des Chefs und Mitgründers des Berliner Start-ups Parloa.  Man brauche diese Ambition, wenn man das nächste SAP errichten wolle, fährt er fort. Und er habe auch kein Problem damit, wenn andere Leute meinten, er habe womöglich „einen Knall. Erst dann, glaube ich, denkt man groß genug“, scherzt Kosub.Einen wichtigen Schritt in Richtung Weltmarktführerschaft haben Kosub und sein Mitgründer Stefan Ostwald nun getan. Nachdem sie Ende vergangenen Jahres eine Niederlassung in den USA eröffnet hatten, um in den größten Softwaremarkt der Welt zu expandieren, haben sie jetzt mit Altimeter Capital auch einen prominenten US-Wagniskapitalgeber gefunden. Der führt die jüngste Finanzierungsrunde von 66 Millionen Dollar an, die dem Berliner Unternehmen insgesamt 98 Millionen Dollar einbringt. Eine beachtliche Summe, zumal sich Parloa erst in der zweiten Finanzrunde befindet. Als Angel-Investoren sind neben dem ehemaligen Beiersdorf CEO Stefan Heidenreich mit den Fußballstars und Unternehmern Mario Götze und Bastian Schweinsteiger gleich zwei WM-Helden dabei. KI, was sonstFür das große Interesse an dem Unternehmen gibt es eine einfache Erklärung: Es bewegt sich im wohl heißesten Markt der Gegenwart, dem der Künstlichen Intelligenz. Zudem bietet Parloa eine Lösung, dessen Nutzen nachvollziehbar ist.Die Berliner setzen KI ein, um Call Center für Unternehmen zu automatisieren. Ihr Versprechen: Anrufer sollen sich nicht mehr durch Menüs hangeln, sondern in natürlicher Sprache ihr Anliegen vortragen, das im besten Fall direkt automatisiert erledigt wird. Zumindest aber soll die Software sie gleich zum richtigen Mitarbeiter durchstellen. Wettbewerber sind unter anderem US-Unternehmen wie Replicant, Observe.AI, PolyAI und Cresta.Kosub und Ostwald profitieren jetzt davon, dass sie schon längst nur noch an KI dachten, als der Hype darum noch gar nicht begonnen hatte. Zudem haben sie unter anderem mit dem Home Shopping Europe, Swiss Life, Helvetia, Decathlon und dem Deutschen Roten Kreuz bereits Großkunden gewonnen.  Das Start-up, das derzeit 250 Mitarbeiter beschäftigt, will keine Umsatzzahlen bekannt geben. „Wir haben in den vergangenen drei Jahren unseren Umsatz jeweils verdreifacht“, sagt Kosub. Das Marktpotential ist groß. Das Marktforschungsunternehmen ReportLinker schätzt den weltweiten Umsatz mit sogenannten Contact Centern derzeit auf über 315 Milliarden Dollar und prognostiziert, dass er auf knapp 500 Milliarden Dollar bis Ende der Dekade steigen könnte, angetrieben vor allem durch E-Commerce. Entscheidung gegen das Chat-GeschäftKosub und Ostwald beschäftigen sich seit 2017 mit Sprachassistenten, bauten zunächst eine Agentur dafür auf und hoben dann 2018 Parloa aus der Taufe. Früher war es üblich, für die Software-Agenten eine Art Skript mit vordefinierten Regeln zu entwickeln. „Mein Mitgründer Stefan war damals schon überzeugt, dass man damit die Industrie nicht würde verändern können“, erinnert sich Kosub. Inspiriert war Ostwald unter anderem von dem Transformer-Papier, das Google Mitarbeiter 2017 veröffentlichten und das heute als Grundlage für generative Künstliche Intelligenz gesehen wird. „Die Dynamik konnte man natürlich nicht vorhersehen, aber wir haben uns damals schon damit beschäftigt“, sagt der Parloa-CEO. Vor allem aber habe man sich entschieden, sich nicht nur auf Chat zu konzentrieren, sondern vor allem auf natürliche Sprache, auf Telefonanrufe. „Voice ist vom Volumen her wesentlich größer als Chat und wächst auch stärker“, behauptet Kosub. Er sieht eine Zukunft, wo KI-Agenten für ihre Nutzer Sachen wie Adressänderungen bei einem Umzug etwa automatisch durchführen. „Das wird noch mal ein riesiges Volumen an Anrufen erzeugen“, meint Kosub.Das Problem ist, dass viele Unternehmen bei steigendem Bedarf Schwierigkeiten haben, Call Center Agenten zu finden. Der Job ist für die hohe Zahl an Burnouts berüchtigt, die Branche hat auch sonst keinen guten Ruf. In den USA beispielsweise verlässt jeder dritte Call-Center-Mitarbeiter im Schnitt innerhalb eines Jahres den Job, was zu hohen Kosten beim Anlernen und Trainieren von Mitarbeitern führt. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens CMP Research steigt die Zahl auf 65 Prozent innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren.Die Idee von Parloa nun ist, dass Künstliche Intelligenz Routine-Anrufe automatisch erledigt und nur noch komplexere Anliegen an menschliche Agenten weiterleitet und sie so entlastet. Der Parloa-Kunde Home Shopping Europe, der drei Millionen Anrufe pro Jahr abwickelt, bietet bereits zwei Rufnummern für Bestellungen an – eine mit KI-Agenten und eine mit menschlichen Bearbeitern. Bei der KI-Hotline werden laut Kosub 97 Prozent automatisch bearbeitet und nur noch drei Prozent an menschliche Agenten weitergeleitet.Das funktioniert auch deshalb, weil besonders E-Commerce-Anbieter ihre Systeme stark digital miteinander vernetzt haben, sodass sich der Bestellprozess komplett automatisieren lässt. Bei Kunden mit älteren Systemen geht es hingegen vor allem darum, die Anrufe vorzusortieren und richtig weiterzuleiten.„Wir bleiben in Deutschland“Kosub ist in Hamburg aufgewachsen und gründete mit 17 Jahren sein erstes Unternehmen, das Musikwettbewerbe für Schulen veranstaltete. „Ich bin noch nie angestellt gewesen“, sagt er. Berlin, so erzählt er, wird der Hauptstandort von Parloa bleiben. In der deutschen Hauptstadt wird das Produkt entwickelt, in den USA wird man vor allem Vertriebsmitarbeiter einstellen. „Wir schaffen es, talentierte KI-Ingenieure nach Berlin zu holen“, sagt Kosub.In sozialen Medien hält er schon mal dagegen, wenn dort behauptet wird, dass angeblich jeder deutsche Start-up-Gründer Deutschland verlassen wolle. „Wir wollen mit Parloa Deutschland bleiben. Entgegen der landläufigen Meinung haben wir viele sehr hart arbeitende Menschen hier“, so der Unternehmer. Auch die Gehälter seien im Vergleich zu den USA günstig. Was in Deutschland weiterhin für Gründer ein großes Problem darstelle, sei der Zugang zu Wagniskapital. „Das haben für uns mit der Expansion in die USA und dem dortigen Einsammeln von Kapital gelöst.“

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