WIWO HISTORY TATORT: EIN MAURER, DER BAU DER KöLNER MESSE – UND DER UNTERGANG VON EUROPAS GRößTER PRIVATBANK

Das Geldhaus Sal. Oppenheim war einst die größte Privatbank Europas. Größenwahn, die dubiose Finanzierung der Kölner Messe und ein windiger Polier brachten sie zu Fall.

Manche Fenster sind noch mit Eisenstangen vergittert, in anderen hängen Holzbretter statt Glasscheiben. Das Gebäude ist eingerüstet, ein Immobilienentwickler baut es um. Nur ein Schriftzug erinnert noch an alte Zeiten: SAL. OPPENHEIM JR+CIE.

Im Kölner Bankenviertel – oder dem, was davon übrig ist – residierte einst die größte Privatbank Europas, Sal. Oppenheim. Im Gebäude feierten sie ausufernde Feste. „Voll dekadent“ ging es zu. So beschrieb es mal ein ehemaliger Empfangsmitarbeiter.

Aber unter die Opulenz und Grandezza mischte sich bald Größenwahn – und blindes Vertrauen in einen Mann, der auf den ersten Blick nicht so recht zu der noblen Privatbank passte: ein Maurer aus der Provinz, Josef Esch. Der zum Großbauunternehmer und Vermögensverwalter der Reichen emporstieg. Er legte für Sal. Oppenheim Immobilienfonds im Gesamtwert von 4,5 Milliarden Euro auf, bekannt als Oppenheim-Esch-Fonds.

In diese Fonds steckten nicht nur Vorstände und Aufsichtsräte der Bank ihr Privatvermögen, sondern auch andere Wohlhabende, wie etwa Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und Thomas Middelhoff, erst Bertelsmann-Chef und dann, vor der Pleite, Vorstandsvorsitzender des Warenhauskonzerns Arcandor (bis 2007 KarstadtQuelle AG).

Kern der Fonds waren große Bauprojekte der öffentlichen Hand, bombensicher und lukrativ. Die Renditen der Fondszeichner waren erstklassig, dass die Projekte den Steuerzahler zu viel Geld kosteten, war zweitrangig.

Ein Beispiel: die Erweiterung der Kölner Messehallen. Der Zuschlag dazu ging ohne Ausschreibung an die Esch-Oppenheim-Connection. Die Kosten für den Bau waren viel zu hoch angesetzt. Und die Stadt verpflichtete sich, die Hallen für 30 Jahre anzumieten. Kostenpunkt: 750 Millionen Euro. Für den Fonds ein gewinnträchtiges Projekt – wäre es legal gewesen. Doch der Schwindel, die Klüngelei flog auf.

Doch damit nicht genug: Als 2009 der Arcandor-Warenhauskonzern pleiteging, mit dem Sal. Oppenheim über eigene Anteile und Kredite an Arcandor-Großaktionärin Schickedanz eng verstrickt war, fuhr das Traditionshaus riesige Verluste ein, es musste von der Deutschen Bank gerettet werden. Oppenheim-Gesellschafter wurden wegen schwerer Untreue zu Freiheitsstrafen verurteilt, einer von ihnen musste ins Gefängnis. Esch hingegen kam mit Geldstrafen davon, die er wegen Steuerhinterziehung und unerlaubter Bankgeschäfte in seiner Funktion als Oppenheim-Geldverwalter zahlen musste – und macht weiter Immobiliengeschäfte.

Im Satirefilm „Der König von Köln“ sagt die Figur, die Schickedanz nachempfunden ist, als ihr mal wieder ein abenteuerliches Investmentvehikel vorgestellt wird: „Das klingt illegal.“ Aber ihr Mitarbeiter entgegnet: „Nur kölsch.“

Dieser Artikel erscheint in unserer Reihe WiWo History.

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