WEGEN VW-DIESELSKANDAL: 100 MILLIONEN EURO BUßGELD GEGEN CONTINENTAL VERHäNGT

Wegen Verstrickungen in den VW-Abgasskandal hat die Staatsanwaltschaft Hannover gegen Continental ein Bußgeld von 100 Millionen Euro verhängt. Bezahlen muss am Ende aber vielleicht ein anderer deutscher Autozulieferer. 

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am Donnerstag eine Geldbuße in Höhe von 100 Millionen Euro gegen den Autozulieferer Continental sowie gegen weitere Gesellschaften des Continental-Konzerns verhängt. Das hat die WirtschaftsWoche aus informierten Kreisen erfahren. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover bestätigte diese Informationen der WirtschaftsWoche. Der Grund ist eine fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht im Zusammenhang mit der Lieferung von Motorsteuergeräten und Motorsteuerungssoftware der ehemaligen Antriebssparte, die heute Vitesco Technologies heißt und gerade von Schaeffler übernommen wird.

Der Bescheid ist am heutigen Donnerstag ergangen. Die Summe setzt sich aus einer Buße von fünf Millionen Euro sowie einem Abschöpfungsanteil von 95 Millionen Euro zusammen. Continental soll auf Rechtsmittel verzichtet haben. Der Zulieferer wollte sich dazu am frühen Donnerstagmorgen nicht äußern, bestätigte am Vormittag dann aber die Informationen im Rahmen einer Pressemitteilung. Demnach führt das Bußgeld „zu keiner wesentlichen zusätzlichen Ergebnisbelastung aufgrund der hierfür in den Vorjahren gebildeten Rückstellung“.  

100 Millionen Euro – das ist viel Geld. Doch es hätte noch mehr sein können: Der ehemalige Chefermittler in dem Verfahren, Malte Rabe von Kühlewein, soll in einer Zeugenvernehmung von Conti-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle vor über zwei Jahren einmal den Betrag von 250 Millionen Euro in den Raum gestellt haben. Doch wie die Staatsanwaltschaft jetzt sagt, habe bei der „Bemessung der Geldbuße“ eine Rolle gespielt, „dass Continental mit den Ermittlungsbehörden kooperierte und damit die Ermittlungen maßgeblich förderte“. Die Zahlung des Gesamtbetrages soll binnen sechs Wochen an das Land Niedersachsen erfolgen, das nach dem Gesetz Zahlungsempfänger der Geldbuße ist.

Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen ehemalige Continental-Vorstände

Das gegen Continental geführte Ordnungswidrigkeitenverfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen. Die bei der Staatsanwaltschaft Hannover geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Mitarbeiter von Continental laufen dagegen weiter. 

Öffentlich bekannt wurden die Ermittlungen im Sommer 2020. Damals durchsuchten die Ermittler zahlreiche Räumlichkeiten. Es geht um mögliche Straftaten von ehemaligen Continental-Mitarbeitern im Zusammenhang mit dem Dieselskandal bei Volkswagen. Ehemalige Vorstände von Continental werden derzeit noch wegen des Verdachts der Untreue verfolgt. Bei anderen Beschuldigten geht es auch um den Verdacht auf Beihilfe zum Betrug. Mehrfach weitete die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aus. Zeitweise ging sie gegen bis zu 61 Beschuldigte vor. Mittlerweile sind eine Reihe der Verfahren insbesondere gegen Ex-Mitarbeiter unterer Ebenen teils mit Geldauflage eingestellt worden.

Ein Bußgeld gegen ein Unternehmen können Staatsanwaltschaften im Rahmen von Verstößen gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz verhängen. Dabei ist in so großen Verfahren wie dem rund um Continental der weitaus größere Teil der zu zahlenden Summe eine sogenannte Gewinnabschöpfung.

Streit entsteht meistens um die Frage, wie hoch die Gewinne aus den fragwürdigen Geschäften tatsächlich waren und wie viel abgeschöpft werden muss, um dem Unternehmen den unrechtmäßigen Vorteil zu entziehen, den es durch die fragwürdigen Geschäfte erlangt hat.

Zu Beginn der Ermittlungen ging es um eine von VW verwendete Abschaltvorrichtung in einem Dieselmotor. Damals sollen Mitarbeiter von Volkswagen den späteren Mitarbeitern von Continental den Auftrag gegeben haben, ein Einspritzsystem für den 1,6 Liter Motor EA189 von VW zu entwickeln. Dazu gehörte auch die Software für die Motorsteuerung. „Diese Software soll auf Wunsch von Volkswagen unter anderem Funktionen zur Fahrkurvenerkennung enthalten haben“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der WirtschaftsWoche im Jahr 2020: Sobald die Software in der Motorsteuerung keine Kurven registrierte, könnten Autos im Zulassungstest erkannt haben, dass sie auf dem Rollenprüfstand stehen.

Am Ende könnte die Geldbuße ein anderer Zulieferer bezahlen

Es bestand der Verdacht, dass es sich bei der Software um eine verbotene Abschalteinrichtung gehandelt habe, so der Sprecher damals. Wegen der Steuerungssoftware könnte sich die Abgasreinigung auf dem Prüfstand aktiviert haben. Umgekehrt könnte die Abgasreinigung auf der Straße abgeschaltet worden sein, was illegal wäre. In den Jahren 2009 bis 2015 sollen verschiedene Marken des VW-Konzerns gut drei Millionen Autos mit der fraglichen Software verkauft haben, darunter auch Audi.

Das Verfahren der Ermittler betrifft Geschäftsaktivitäten der ehemaligen Antriebssparte Powertrain, die im Jahr 2021 als Vitesco Technologies abgespalten wurde. Gemäß der damaligen Vereinbarung, die auch im Prospekt zum Börsengang der Vitesco zu finden sind, ist Vitesco verpflichtet, Continental von allen etwaigen Kosten und Verbindlichkeiten freizustellen. „Dies folgt dem Grundsatz, dass mit der Abspaltung sämtliche Chancen, aber auch Risiken aus dem übertragenen Geschäft auf Vitesco Technologies übergehen“, heißt es dazu in der Pressemitteilung von Continental. 

Ob Vitesco, die gerade vom Zulieferer Schaeffler übernommen werden, tatsächlich zahlt, scheint jedoch nicht ganz sicher zu sein: Zum 31. Dezember 2023 bestand laut Continental zur Vorsorge für Bußgeldrisiken aus dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Hannover „eine Rückstellung in Höhe eines hohen zweistelligen Millionenbetrags“.

Compliance signifikant gestärkt

Continental zufolge hat das Unternehmen den Bescheid „nach intensiven Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft Hannover und eingehender Prüfung akzeptiert und auf Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet. Es liegt im Unternehmensinteresse, dass das Bußgeldverfahren damit beendet ist.“ Das Unternehmen habe die Compliance signifikant gestärkt, ein eigenständiges Vorstandsressort für Integrität und Recht geschaffen und sein System für technische Compliance weiter ausgebaut. Dies sei von der Staatsanwaltschaft bei der Bußgeldbemessung zugunsten von Continental berücksichtigt worden. 

Olaf Schick, Vorstand für Integrität und Recht, sagte laut Continental: „Es ist wichtig und in unserem eigenen Interesse, dass wir einen Schlussstrich unter das Bußgeldverfahren ziehen. Wir haben dem Thema Integrität bei uns den höchsten Stellenwert gegeben, haben es organisatorisch neu aufgestellt und die Beschäftigten intensiv geschult. Diesen Prozess werden wir fortsetzen und weiterhin in die Integrität des Unternehmens investieren.“

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