TOURISMUS: DIE RüCKKEHR DER REISESCHNäPPCHEN

Nach zwei Boomjahren werden Flugtickets und Hotelübernachtungen erstmals billiger. Was Urlauber freut, wird die Airlines, die mit steigenden Gewinnen geplant haben, hart treffen.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr wollte optimistisch wirken, als er in der vergangenen Woche einen Ausblick auf den Rest des Jahres gab. „Die Buchungen liegen um 16 Prozent höher als im schon rekordverdächtigen Vorjahr, und es wird wieder ein sehr starker Reisesommer“, jubelte der Manager beim Vorstellen der Bilanz für das erste Quartal 2024. Zudem hatte Lufthansa nach langen Streiks endlich mit fast allen Berufsgruppen neue Tarifverträge abgeschlossen. Dennoch wirkte der 57-Jährige ungewohnt angespannt.Aus gutem Grund. Denn so gut die Buchungen auch sind, ein genauer Blick in die Zahlen zeigt: Der Reiseboom der Nach-Coronazeit geht zu Ende. Nach zwei Jahren mit immer neuen Rekorden beim Ticketpreis sinken bei Europas größter Fluglinie die Durchschnittserträge um rund drei Prozent. Und darauf ist der Konzern nicht vorbereitet, weil die Kosten in gleicher Höhe steigen.Mit diesem Problem ist Spohr in der Reisebranche bei weitem nicht alleine. Die Mietwagenpreise fallen bereits seit gut einem Jahr. Eine beginnende Schwäche bei den wichtigsten Kennzahlen meldete vorige Woche auch Ben Smith, Chef von Air France-KLM. Zuvor hatten bereits Fluglinien aus den USA oder Air New Zealand ihre Aussichten nach unten korrigiert.Auch bei den Hotels sinken seit dem Ende der Osterreisezeit weltweit die Einnahmen pro Zimmer, so eine Analyse des auf die Übernachtungsbranche spezialisierten Marktforschers STS. Einzige Ausnahme ist Deutschland, wo Bettenkonzerne wie Marriott oder Accor etwas mehr Geld in der Kasse haben als im Frühjahr 2023.Günstiger, kürzer oder gar nichtDas Beunruhigende an der Entwicklung ist ihr Grund. Für den Einnahmerückgang sorgen nur zu einem geringeren Teil die fallenden Preise. Stärker ins Gewicht fällt, dass immer mehr Flugsessel und Betten leer bleiben. Daraus schließen Analysten wie Harry Gowers von der Investmentbank J.P.Morgan, dass mehr Kunden angesichts der schwächelnden Konjunktur und steigender Lebenshaltungskosten auf den Preis achten. Und wenn ihnen der zu hoch ist, buchen sie ihre Reisen günstiger, kürzer oder auch gar nicht mehr.Damit endet eine Einstellung, die Manager wie Spohr Revenge Travel nannten: Reisen als „Rache“ für die Einschränkungen der Pandemiezeit. Was der Branche besonders gefiel: Dabei nahmen die Kunden auch deutlich höhere Preise in Kauf, weil sie in den Lockdowns viel Geld gespart hatten.Dabei halfen den Reiseunternehmen die Probleme ihrer Lieferanten. Die großen Flugzeughersteller Airbus und Boeing konnten wegen technischer Mängel oder weil ihre Zulieferer nicht liefern konnten, weniger Maschinen ausliefern, als die Airlines verplant hatten. Gleichzeitig hatten Immobilieninvestoren in der Coronazeit, wo immer möglich, den Bau neuer Häuser gestoppt, während gleichzeitig viele unrentable Betriebe schlossen. Also war in beiden Bereichen das Angebot geringer als die Nachfrage. So konnten Airlines wie Hotels Höchstpreise erzielen. Bei Lufthansa stieg im vorigen Jahr die Kapazität um 15 Prozent, die Erträge aber um 76 Prozent.Rekordgewinne adeDie Zeiten der lukrativen Verknappung sind vorbei. Die Zahl neuer Hotels wächst wieder, weil angesichts der steigenden Preise wieder mehr Geldgeber an das Übernachtungsgewerbe glauben und neue Bettenhäuser bauen. Und die Airlines entmotten viele ausgemusterte alte Maschinen wie den Superjumbo Airbus A380, mieten im großen Stil Flugzeuge an und packen in vorhandene Jets mehr Sitze. Laut der jüngsten Statistik der Weltluftfahrtverbands Iata bewegen die europäischen Fluglinien gut zehn Prozent mehr Kapazität als im Vorjahr. Weltweit sind es sogar fast 14 Prozent.Das größte Wachstum gibt es jedoch auf der Langstrecke über dem Atlantik und vor allem Richtung Asien. „Hier ist das Risiko eines Überangebots und darum fallender Erträge besonders hoch“, warnt Analyst Gowers. Das trifft besonders die Lufthansa-Gruppe, denn dem Vernehmen nach verdient sie dort im Moment das meiste Geld.Ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht abzusehen. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Durchschnittserlöse weiter unter Druck bleiben“, heißt es in einem internen Schreiben der Lufthansa. Sowohl Boeing als auch Airbus werden die Produktion hochfahren. Zudem kommen bis zum nächsten Sommer wieder all jene Flugzeuge in den Dienst, die im Moment am Boden sind, weil etwa wie beim Airbus A320neo die Triebwerke überholt werden müssen.Steigende Kosten bei sinkenden ErlösenFallende und sogar nur stabile Preise können vor allem die Airlines derzeit nicht brauchen. Denn alle haben mit steigenden Kosten zu kämpfen und sind auf etwas anderes als höhere Erlöse nicht vorbereitet.Zum einen müssen alle Fluglinien viel investieren. Angesichts der wachsenden Umweltauflagen brauchen sie Geld für nachhaltig erzeugten Kraftstoff und neue sparsame Flugzeuge.Dazu steigen die mehr oder weniger staatlich festgelegten Abgaben für die Luftverkehrssteuer, Fluglotsen oder Sicherheitskontrollen an den Flughäfen. Die werden ab dem kommenden Jahr im Schnitt wahrscheinlich 40 Prozent höher sein als vor Corona und zusammen nicht selten die Hälfte des Ticketpreises ausmachen. Schließlich steigen auch die Benzinkosten und nach den Tarifeinigungen die Ausgaben für das Personal.„Das sind finanzielle Belastungen, die kein Unternehmen unserer Branche einfach so ausgleichen kann“, sagt Spohr und verkündet ein Sparprogramm: „Ohne ganz erhebliche Produktivitätssteigerungen wird es nicht gehen." Das wiederum dürfte bald nicht nur Spohr die Laune verderben, sondern auch vielen Mitarbeitern, vor allem in der Verwaltung. Denn die soll bald wieder das gleiche Pensum leisten, wie 2019 vor der Coronakrise, aber mit einem Fünftel weniger Leute.

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