SCHULDSCHEINE: DAS SIND DIE VOR- UND NACHTEILE FüR ANLEGER

Der Schuldscheinmarkt erfreut sich auch 2023 in Deutschland großer Beliebtheit. Auch international stößt dieses spezifisch deutsche Finanzprodukt auf wachsendes Interesse. Doch welche Vorteile bieten Schuldscheine - gerade im Vergleich zu Anleihen - den Anlegern überhaupt?

• Schuldscheinmarkt 2022 mit Rekordvolumen

• Zeitweise bessere Konditionen für Unternehmen als auf dem Anleihenmarkt

• Nachhaltigkeit als Trend auf dem Schuldscheinmarkt

Mediale Aufmerksamkeit erregte das Thema im Frühjahr letzten Jahres mit der Schulschein-Emission des Porsche Automobilkonzerns in Höhe von 2,7 Milliarden Euro. Auch insgesamt erreichte der Schuldscheinmarkt 2022 ein Rekordvolumen von 31 Milliarden Euro und übertraf damit vorherige Rekordjahre um 15 Prozent. Auch in puncto Transaktionen ist das vergangene Jahr laut institutional-money.com mit 140 auf der Bestenliste vorne mit dabei. Im zweiten und im letzten Jahresviertel stieg das Volumen neu begebener Schuldscheine im Vergleich zu den anderen beiden Quartalen deutlich an. Für das aktuelle Jahr erwartet die Schuldschein-Analystin Barbara Ambrus von der LBBW einen leichten Rückgang. Dieser ergebe sich zum einen aus der weltwirtschaftlichen Situation mit Rezessionssorgen, Ukraine-Krieg, Energiekrise und zum anderen dem daraus resultierenden gleichzeitigen Anstieg der Inflation und der Zinsen.

Schuldscheine bleiben aber trotz der vergangenen Rekordjahre ein Nischenprodukt - nur rund 10 Prozent des europäischen Kreditvolumens für Unternehmen werden über Schuldscheine emittiert.

Marktführer im Bereich der Schuldscheindarlehen ist die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), sie war 2022 an rund der Hälfte des Transaktionsvolumens beteiligt und führte 64 der 140 Schuldscheintransaktionen federführend aus.

Schuldscheine vs. Anleihen: Unterschiede und Vorteile

Im Gegensatz zu einer Anleihe, handelt es sich bei einem Schuldschein nicht um ein Wertpapier. Schuldscheine sind mit einem deutlich geringeren Dokumentationsaufwand verbunden als Wertpapiere und weisen Bewertungsvorteile auf, da sie nur in begrenztem Maße gehandelt werden. Die Konditionen müssen zudem nicht öffentlich gemacht werden, das Pricing ist attraktiv. Da die Anleger daneben auch die Flexibilität hinsichtlich der Laufzeiten schätzen, bleiben die Schuldscheine auch 2023 interessant. Genutzt werden die Schuldscheindarlehen als stabile Liquiditätspools vor allem von Unternehmen, die Finanzkennzahlen aufweisen, die in der Regel Investmentgrade-konform sind. Im Gegensatz zum für Marktturbulenzen anfälligeren Anleihenmarkt tendieren Käufer auf dem Schuldscheinmarkt dazu, die Schuldtitel bis zur Fälligkeit zu halten.

Eine Schuldschein-Transaktion wird in der Regel vom Emittenten initiiert und von einer oder mehreren Banken arrangiert. Nach der Syndizierung, also der Bildung eines Konsortiums bei der Vergabe der Schuldscheine, wird der endgültige Preis festgelegt und die Schuldscheine werden in unterschiedlich großen Teilen von einer variablen Anzahl an Banken angeboten. Neben der variablen Laufzeit können sich Anleger in Schuldtitel auch zwischen zwei Verzinsungsmöglichkeiten entscheiden: Die variable Verzinsung richtet sich nach dem Euribor, eine feste Verzinsung wird wie bei Anleihen mit dem Abstand zu Mid-Swaps angegeben. Zunehmend gehören zu den Kreditgebern nicht mehr nur deutsche Sparkassen und Pensionsfonds, sondern auch europäische wie asiatische Geschäftsbanken.

Kreditgeber können auf dem Schuldscheinmarkt davon ausgehen, dass die Finanzierung durch den Emittenten in Anspruch genommen wird - im Gegensatz zu ungenutzten revolvierenden Kreditlinien. Umschuldungen oder Erneuerungen der Konditionen gestalten sich auf dem Schuldscheinmarkt allerdings schwieriger als auf dem Anleihenmarkt, da durch die Syndizierung mehrere Parteien involviert sind und eine koordinierende Stelle fehlt. Für Anleger kann die Prüfung von Investitionen in Schuldscheine mit deutlich mehr Aufwand verbunden sein als bei Anleihen: Entsprechende Bonitätsberichte und transparente Finanzdaten sind nicht in gleichem Maße vorhanden wie am Anleihenmarkt.

Umbruch am Schuldscheinmarkt

Die Deutsche Bank weist in einem Artikel auf ihrer Webseite auf einen interessanten Umbruch am Schuldscheinmarkt hin: Zahlreiche namhafte Konzerne mit guten Bonitäten hatten 2022 den Schuldscheinmarkt wegen besserer Konditionen den Anleihen vorgezogen. So emittierten neben Porsche, Brenntag (640 Millionen Euro), Sartorius (650 Millionen Euro), Covestro (650 Milliarden Euro) und ENCAVIS (Grünes Schuldscheindarlehen (SSD) in Höhe von 210 Mio. Euro) jüngst große Schuldscheindarlehen.

Dadurch kam es am Schuldscheinmarkt zu einem erhöhten Wettbewerb - bis zu 25 Transaktionen fanden gleichzeitig statt, stellt der Leiter Debt Capital Markets der Deutschen Bank, Sebastian Ottmann, fest. Mittelständische Unternehmen, für die der Schuldscheinmarkt traditionell eine wichtige Refinanzierungsquelle darstellte, seien durch die Emissionen von Jumbo-Schuldscheinen der Großemittenten vom Markt vertrieben worden und suchten verstärkt auf dem Konsortialkreditmarkt nach Refinanzierungsmöglichkeiten. "Die großen Schuldscheine waren teurer als ältere Schuldscheine, aber immer noch deutlich günstiger als eine Anleihe zu diesem Zeitpunkt", sagt Sebastian Ottmann und betont, dass der primäre Fokus der Konzerne auf der Transaktionssicherheit am Markt gelegen habe. 30 bis 40 Punkte sei die Zinskurve am Schuldscheinmarkt dadurch gestiegen.

Für 2023 erwartet der Kapitalmarktstratege allerdings eine Reduzierung des Konkurrenzdrucks am Schuldscheinmarkt, denn viele Großkonzerne würden sich 2023 aufgrund verbesserter Konditionen wieder dem Anleihenmarkt zuwenden. Dies wären gute Nachrichten für die Refinanzierung mittelständischer Unternehmen. Allerdings ergebe sich durch den Wegfall der Strafzinsen für die Banken ein neues Problem: Für die verlässlichen Schuldscheinzeichner der vergangenen Jahre - die kleineren Volksbanken und Sparkassen - wird in einem Umfeld hoher Zinsen das Einlagen- und Kreditgeschäft wieder attraktiver.

Trends auf dem Schuldscheinmarkt

In den letzten Jahren ist das Thema Nachhaltigkeit ein wichtiger Trend am Finanzmarkt geworden. Insgesamt fungiere der Schuldscheinmarkt als Katalysator nachhaltiger Finanzierung, da innovative Strukturen das Wachstum beflügelten, schreibt institutional-money.com. Der grüne Finanzierungstrend setze sich auch mit einem rekordverdächtigen Anteil von 40 Prozent am gesamten Neuvolumen auf dem Schuldscheinmarkt fort, wie der Genossenschaftsverband in seinem Blog schreibt. ESG-Kriterien haben sich seit längerem am Markt etabliert und erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Auch Barbara Ambrus von der LBBW erwartet "ein anhaltend hohes Wachstum von SSD mit Nachhaltigkeitskomponenten. Diese genießen auf Unternehmensseite eine unverändert hohe Aufmerksamkeit und stoßen auf der Investorenseite ebenfalls auf hohe Akzeptanz". Schuldscheine mit einem Volumen von 20 bis 500 Millionen Euro hätten sich für mittelständische Unternehmen als Alternative zum klassischen umweltfreundlichen Kredit entwickelt, so der Verband der Regionen.

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