RWE-HAUPTVERSAMMLUNG: ES GEHT WIEDER UM DIE KOHLE

Die Energiekrise hat die Bilanz von RWE-Chef Markus Krebber vergoldet. Jetzt dümpelt die Aktie vor sich hin, die Kritik wächst – und eine alte Forderung gewinnt an Aktualität.

Nein, zu irgendeinem Eklat wird es am Freitag bei der Hauptversammlung von RWE vermutlich nicht kommen. Wie auch? Die Veranstaltung findet, wieder, im virtuellen Raum statt. Ein Stück weit aseptischer, kontrollierbarer – die digitale Choreografie liegt weitgehend in der Hand des Managements.

Dass es auch anders, mutiger geht, hat etwa Thyssenkrupp in diesem Jahr gezeigt. Dort hat sich der neue Chef Miguel López den eigenen Aktionären physisch gestellt. Auch die RWE-Aktionäre dürften in diesem Jahr etwas mehr zu murren haben als während vergangener Hauptversammlungen. Das hier sind die fünf Themen, auf die es am Freitag maßgeblich ankommt:

Erstens: Der Aktienkurs dümpelt, das provoziert Kritik

Hinter RWE liegen zwei goldene Jahre. Das Unternehmen gehörte zu den Gewinnern der Energiekrise infolge des Ukrainekriegs. In seiner vorab veröffentlichten Hauptversammlungsrede sagt RWE-Chef Markus Krebber:

„Wir waren da. Wo immer wir gefragt wurden.“ Und das stimmt. Als die Regierung in Windeseile LNG-Terminals bauen musste, half RWE in Wilhelmshaven und in Brunsbüttel, Kohlekraftwerke wurden aus der Reserve geholt. Und als es darum ging, RWEs letztes Atomkraftwerk Emsland im vergangenen April abzuschalten, gab es vonseiten RWE auch keinerlei Regierungskritik – anders als etwa von E.On-Chef Leonhard Birnbaum.

Die hohen Energiepreise sorgen gleichzeitig für traumhafte Profite, 2022 mit einem bereinigten Ebitda von 6,3 Milliarden Euro, 2023 mit einem Ebitda von 8,4 Milliarden Euro. Das war der Hintergrund, vor dem Markus Krebber Investitionen in grüne Energien über die Strategie „Growing Green“ vorantreiben konnte.

Aber jetzt sind die Energiepreise überraschend schnell gefallen, für Gas, und damit – über das Merit-Order-System – auch für Strom. Das Zinsniveau ist gleichzeitig hoch, Investitionen in erneuerbare Energien macht das teurer. „Die gedämpfte Energienachfrage hat zu deutlich sinkenden Strompreisen geführt, was auch Auswirkungen auf RWE hat“, wird RWE-Chef Markus Krebber laut vorab veröffentlichtem Manuskript bei der Hauptversammlung sagen.

Konkret: Die kurzfristigen Aussichten für RWE trübt die Entwicklung ein, für das laufende Geschäftsjahr ist nur noch ein bereinigtes Ebitda in einem Korridor zwischen 5,2 und 5,8 Milliarden Euro anvisiert. Seit der Hauptversammlung im vergangenen Jahr hat die RWE-Aktie zeitweise mehr als 20 Prozent verloren, liegt jetzt auf dem Niveau von 2021. Aktionäre sprechen von einem „verlorenen Jahr“. „Das vergangene Geschäftsjahr war ein schwaches Jahr für die erfolgsverwöhnten RWE-Aktionäre“, wird Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer von Union Investment, laut Redemanuskript bei der Hauptversammlung sagen. Die Aktie entwickele sich erstmals seit dem Geschäftsjahr 2016 schwächer als der Dax.

„Die Zeiten, als RWE Rückenwind hatte, sind vorerst vorbei.“ Allein die Wortwahl ist dabei – ob beabsichtigt oder nicht – doppeldeutig. „Rückenwind“ heißt auch ein RWE-Programm zum Ausbau der Onshore-Windenergie in Deutschland. „RWE ist seit 2023 konsistent in der Gruppe der deutschen Großunternehmen mit der schlechtesten Aktienkursentwicklung“, sagt Benedikt Kormaier, Geschäftsführer des aktivistischen RWE-Aktionärs Enkraft. „Die Aktienkursentwicklung der RWE reflektiert das Desinteresse des RWE-Vorstands, die wichtigen strategischen Fragen des Unternehmens einer Lösung zuzuführen: die schnelle Abtrennung des Braunkohlegeschäfts sowie eine sinnvolle Strategie zur Kapitalallokation mit glaubwürdigen Zielen.“ Vor allem den Streit um die Kohle wird RWE nicht los.

Zweitens: Die Kohlefrage wird für RWE wieder zum Thema

Wann stößt RWE sein Kohlegeschäft endgültig ab, macht sich damit für Investoren, die auf ESG-Kriterien achten müssen, attraktiver – und erhöht so den Unternehmenswert? Das ist eine Frage, die derzeit wieder an Bedeutung gewinnt. Enkraft dringt seit Jahren auf diesen Schritt, ist der stete Stachel im Fleisch des Vorstands um Markus Krebber. Aber in den Krisenjahren war mit der Forderung aus guten Gründen kaum ein Durchkommen. RWE – „Wir waren da“ – profilierte sich gegenüber der Ampel als regierungstreuer Konzern, der auch pragmatisch und schnell Kohlekraftwerke aus der Reserve holte. Das war Teil eines sehr rentablen Pakets, das es zweitrangig, zum Teil sogar widersinnig, erscheinen ließ, sich nun übereilt von seinen Braunkohlekraftwerken zu trennen.

Dazu schaffte Krebber es 2022 ohnehin, den RWE-Ausstieg im Bund mit Robert Habeck (Grüne), dem Klima- und Wirtschaftsminister, und Mona Neubaur (Grüne), der Wirtschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen, von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Danach, das sagt Krebber wiederholt, sei RWE raus aus der Kohle – selbst wenn der Bund aus Kapazitätsgründen weiterhin den Reservebetrieb organisieren müsse.

Aber offenbar reicht Aktionären das Ausstiegsdatum 2030 zunehmend nicht mehr. „Für RWE ist und bleibt die schnelle Abtrennung der Braunkohleaktivitäten der mit Abstand größte Werttreiber für das Unternehmen“, kommentiert Benedikt Kormaier von Enkraft. „RWE muss mit der Vergangenheit abschließen und die Braunkohleverstromung ebenso einstellen wie die Kernbrennstoffaufbereitung“, sagt auch Henrik Pontzen von Union Investment laut Manuskript. Andere Aktionäre gehen von einem Bewertungsabschlag von rund 15 Prozent durch die Kohleaktivitäten aus und dringen darauf, dass RWE sich schneller und stärker als wahrhaft grünes Unternehmen positionieren müsse.

Das RWE-Management hat bisher keine Option ausgeschlossen, das Kohlegeschäft auch früher als geplant abzuspalten, sich hinsichtlich einer möglichen staatlichen Braunkohlestiftung, in die etwa die verbleibenden Kraftwerke eingebracht werden könnten, aber bedeckt gehalten. Hinter den Kulissen dürfte das Thema – auch aufgrund des Drucks der Aktionäre – weiter an Bedeutung gewinnen.

Drittens: Auch der Ruf nach Aktienrückkäufen dürfte lauter werden

Wenn der Kurs unter den Erwartungen bleibt, aber an sich genug Cash vorhanden ist, wird der Ruf nach Aktienrückkäufen lauter. Das RWE-Management um Finanzchef Michael Müller hat so einen Schritt im vergangenen Jahr abgelehnt mit Verweis darauf, dass man lieber in die Erneuerbaren Energien investieren möchte. Nun dürften auch die Forderungen lauter werden, an dieser Stellschraube zu drehen. Vor einigen Monaten hatte es Berichte gegeben, Krebber habe einen Kauf des angeschlagenen dänischen Konzerns Ørsted prüfen lassen. Eine Bestätigung dafür gab es nicht.

2022 hatte Krebber das Erneuerbaren-Geschäft des US-Konzerns Con Energy für fast sieben Milliarden Dollar übernommen – und auch mit der Hilfe eines Einstiegs des Katarischen Investitionsfonds Qatar Investment Authority (QIA) finanziert. QIA ist seither mit einem Aktienanteil von rund 9 Prozent größter Anteilseigner bei RWE. Andere Aktionäre hatten diesen Schritt als Wertverwässerung gescholten. Ähnlich skeptisch wird bei manchen Aktionären auch nur der Gedanke an eine große, weitere Übernahme wie etwa von Ørsted betrachtet. Das Motto hier lautet: Tut lieber etwas für uns, kauft Aktien zurück. „Aufgrund der niedrigen Bewertung der RWE am Kapitalmarkt führt ein Aktienrückkauf mittlerweile zu deutlich höheren und risikolosen Renditen als die großen, langfristigen Investitionen, deren langfristige Renditeerwartungen das Unternehmen nicht plausibilisieren“, meint Benedikt Kormaier von Enkraft.

Viertens: Der RWE-Aufsichtsrat wird personell erneuert

Aufsichtsrats-Chef bei RWE bleibt Werner Brandt, aber drei Aufsichtsratsmitglieder scheiden aus, der frühere Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel, der frühere E.On-Manager Erhard Schipporeit sowie der frühere Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD). Dafür soll die Hauptversammlung den jetzigen Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) neu in das Kontrollgremium wählen, ebenso wie den früheren Post-Chef Frank Appel und Jörg Rocholl, den Präsident der European School of Management & Technology in Berlin.

Die Ruhrgebietskommunen halten traditionell Anteile an RWE und haben deshalb zwei Sitze im Aufsichtsrat. Neben künftig Westphal ist dort auch der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) vertreten. Katar, seit 2022 mit einem Anteil von rund neun Prozent der Aktien größter Anteilseigner, hat bisher noch keinen Sitz im Aufsichtsrat beansprucht.

Fünftens: Wie teuer wird der grüne Ausbau?

RWE gilt, trotz aller Kritik, mit seinem breit aufgestellten Portfolio und der entschlossenen Hinwendung zu Erneuerbaren Energien mittel- und langfristig als gut positioniert. Dennoch dürften gerade die durch höhere Zinsen gestiegenen Kosten für den geplanten Ausbau der Erneuerbaren auch bei der Hauptversammlung Thema sein. Bis 2030 will RWE 55 Milliarden Euro netto in Offshore- und Onshore-Windparks, Solarparks, Speicher, wasserstofffähige Gaskraftwerke, aber auch Wasserstoffprojekte investieren. Das wiederholt RWE-Chef Markus Krebber in seinem vorab veröffentlichte Redemanuskript. Bis 2030 will RWE sein Erneuerbaren-Portfolio um 30 Gigawatt auf 65 Gigawatt erweitern.

Aber gerade in der Offshore-Industrie ist die Lieferkette derzeit massiv unter Druck, die Kosten sind stark gestiegen. Bisher hat RWE noch jedes seiner Offshore-Windkraft-Projekte wie geplant umgesetzt. Aber lässt sich das Kostenrisiko hier mit den Renditeerwartungen vereinbaren? Krebber dürfte zu seiner Haltung gegenüber der Offshore-Krise befragt werden, aber auch dazu, wie er die sogenannte Kraftwerksstrategie der Bundesregierung bewertet, die in den nächsten Wochen mit dem Segen der EU-Kommission fertiggestellt werden soll. Die Strategie konkretisiert die Förderbedingungen für den Bau sogenannter „flexibler Leistung“. RWE will sich an den entsprechenden Ausschreibungen nach Aussagen Krebbers mit einem Volumen von etwa drei Gigawatt beteiligen.

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