REPARIEREN STATT WEGWERFEN: „RECHT AUF REPARATUR“ VOR DEM LACKMUSTEST

Reparieren statt entsorgen – das soll in der EU künftig für Elektrogeräte gelten. In der Praxis muss sich erst noch zeigen, ob die Regeln so funktionieren, wie es sich die Gesetzgeber vorstellen.

Verbraucher haben künftig das Recht, Geräte wie Kühlschränke, Staubsauger oder Smartphones reparieren zu lassen. Das EU-Parlament hat dem Gesetz am Dienstag zugestimmt, seine Umsetzung gilt damit als sicher. Die betroffenen Branchen unterstützen das Gesetz, das helfen soll, Ressourcen zu sparen und Abfall zu reduzieren. Offen ist noch, wie die Regeln in der Praxis umgesetzt werden.

Carine Chardon, Bereichsleiterin beim Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), sieht in der Richtlinie ein geeignetes Instrument, um die Nutzungsdauer von Geräten zu verlängern und damit insgesamt zu einem nachhaltigeren Produktlebenszyklus beizutragen. Sie macht jedoch deutlich, dass die Kunden hierfür mitziehen müssen: „Immer noch entscheiden sich drei Viertel der Konsumentinnen und Konsumenten für den Ersatz eines defekten Geräts und nicht für eine Reparatur“, sagt sie. Die fehlende Reparaturkultur könnten Hersteller und Handel nicht allein beheben.

Ähnlich positiv äußern sich der Elektronikhändler MediaMarkt Saturn sowie die Hausgerätehersteller BSH. Auch sie sehen sich auf einen Anstieg der Reparaturen vorbereitet. So kann die BSH über ihr Servicenetz weltweit auf rund 12.400 Techniker und Servicepartner zurückgreifen, Ersatzteile seien zudem bis zu 15 Jahre nach Produktionsende eines Großgeräts verfügbar. Doch zu welchem Preis?

Verena Dvorak, die sich bei der Elektro-Einkaufsgemeinschaft Euronics um die Kundenzufriedenheit kümmert, wies kürzlich in einem Interview mit der WirtschaftsWoche auf bislang ungelöste Probleme hin, die mit der Umstellung stärker in den Fokus rücken könnten. Dazu gehören ihrer Meinung nach die Verfügbarkeit von Ersatzteilen - vor allem im Niedrigpreissegment -, fehlende Reparaturunterlagen und der Mangel an Fachkräften. Hinzu kommt ihren Worten nach: „Oft könne nicht repariert werden, weil Teile verklebt, verschweißt oder einfach nicht austauschbar sind.“

Letzteres sieht auch Ansgar Hinz, Vorstandsvorsitzender des Technikverbandes VDE, als möglichen Hemmschuh für die Umsetzung des Reparaturrechts. „Technische Normen und Standards waren bisher nicht explizit darauf ausgelegt, Aspekte wie Natur-, Umwelt- und Klimaschutz ausreichend zu berücksichtigen“, gibt er zu bedenken. Zudem seien Reparaturen aus Sicherheitsgründen bisher teilweise bewusst ausgeschlossen worden. Damit solle verhindert werden, dass „vermeintlich modellgleiche Bauteile verwendet werden, die in Folge zu einem Funktions- oder gar Sicherheitsverlust führen könnten.“

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Alles in allem sieht der VDE den Knackpunkt bei der Umsetzung vor allem in der Frage der Wirtschaftlichkeit, an der die Reparierbarkeit von Produkten bisher gescheitert sei. Ob sich eine Reparatur lohnt, hänge vor allem vom Neuwert und den Kosten für die Beseitigung eines Mangels ab. Ob sich diese Rechnung im Zuge der Umsetzung der EU-Reform nachhaltig ändern wird, ist noch nicht klar.

Noch deutlicher wird der Handelsverband HDE. Schon heute würden große und teure Geräte repariert, bei denen es wirtschaftlich sinnvoll sei, sagt Antje Gerstein, HDE-Geschäftsführerin für Europapolitik und Nachhaltigkeit. Viele Verbraucher würden sich vor allem aufgrund von Innovationen für neue Produkte entscheiden. „Dass Händler, wenn auch nachrangig, für die neuen Reparaturverpflichtungen im Anschluss an die Gewährleistungszeit einstehen sollen, ist nicht angemessen“.

Auch sie nennt die Einrichtung von Reparaturwerkstätten, die Lagerhaltung von Ersatzteilen und den Mangel an Fachkräften als praktische Umsetzungshindernisse. „Selbst wenn Drittwerkstätten die Reparatur auf Kosten des Verbrauchers durchführen, wird der Händler mit dem Abwicklungsaufwand belastet“, so Gerstein.

Angesichts der zu erwartenden Belastungen durch die Richtlinie fordert der HDE, die EU-Vorgaben auf nationaler Ebene nicht zu verschärfen. Zudem würde eine Übergangsfrist die Umsetzung erleichtern. Da die Nationalstaaten zwei Jahre Zeit haben, die EU-Regelung in nationales Recht umzusetzen, haben die Betroffenen in jedem Fall noch eine Gnadenfrist, um sich auf die Herausforderungen vorzubereiten.

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