FDP-VETO ZUM RENTENPAKET: CHRISTIAN LINDNER SCHLäGT ZURüCK – UND WIE

Der Finanzminister legt das Rentenpaket vorerst auf Eis. Der Streit um den Bundesetat wird giftiger – persönlich ist er bereits: Öffentliche Indiskretionen und zu viel Steuergeld fürs Ausland ärgern Lindner schon länger.

Der erste Satz ist noch freundlich. Die Mehrzahl der Ministerien, sagt Bundesfinanzminister Christian Lindner, habe ihre Haushaltsentwürfe für 2025 nahe an seinen Finanzvorgaben angemeldet. Doch dann hebt er die Stimme: „Es gibt aber einzelne Ressorts, die exorbitante Wunschzettel eingereicht haben. Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen, gewissermaßen.“ 

Rumms. Jeder der anwesenden Journalisten weiß, wer gemeint ist. Nämlich zwei Kolleginnen Lindners aus dem Bundeskabinett: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SDP). Beide hatten bereits in den vergangenen Wochen kommunizieren lassen, dass sie die Sparvorgaben des Bundesfinanzministers fürs nächste Jahr bei weitem nicht einhalten könnten und wollten.

Doppel-Rumms

Das war am Montag. Am Dienstag ließ Lindner ein noch viel heftigeren Rumms folgen. Sein Haus stoppte fürs Erste das Rentenpaket. Offenbar ist der Finanzminister mit den Ausgabenwünschen der Kabinettskollegen derart unzufrieden, dass er ein Zeichen setzen wollte, das alle verstehen: bis hierhin und nicht weiter.

Das Rentenpaket ist ein Lieblingsvorhaben der SPD, also des Bundeskanzlers, weil es das Rentenniveau auf Dauer absichern soll. Aber der Finanzminister hatte es erst im März gemeinsam mit Hubertus Heil vorgestellt – schließlich gehört dazu auch ein Fortschrittsprojekt der Liberalen: den Einstieg in das Generationenkapital, besser bekannt als Aktienrente. Doch selbst das änderte nun nichts.

Schon vor Monaten sinnierten Ampel-Insider über die möglichen Sollbruchstellen der Koalition. Als eine der wahrscheinlichsten galt stets der Haushalt 2025, in dem noch mehr Geld eingespart werden muss als im schon extrem umkämpften Etat 2024. Und erst vergangene Woche war aus dem Grünen-Umfeld zu hören, die Chancen auf einen Haushalt stünden 50:50. Das bedeutet übersetzt auch: 50 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass diese Regierung nicht mehr den regulären Wahltermin im September 2025 erreicht.

Lindners Veto wird die Stimmung nun sicher nicht heben. Aber die abrupte Aktion hat eben auch eine Vorgeschichte.

Den FDP-Mann störte die öffentliche Obstruktion im Vorfeld gegen seine Sparvorgaben massiv. Lindner sitzt also am Montag vorn auf dem Podium im Bundesrat, wo er gerade zusammen mit den Länderministern über die Stabilität der deutschen Staatsfinanzen beraten hat. Der Bundesetat für 2025 gehört da hinein. Und Lindner weiß, dass die kommenden Monate für ihn den wohl härtesten Kampf in seiner Zeit als Bundesfinanzminister bedeuten. Er will einen Etat hinbekommen, der die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einhält. Dabei gilt es eine Lücke von 20 bis 30 Milliarden Euro zwischen (Steuer-)Einnahmen und Ausgaben(wünschen) zu schließen. Haushaltsdisziplin ist daher von allen Ressorts gefordert. 

Zwei Milliarden hier, zwei Milliarden dort

Oder eben nicht. Denn die beiden Ministerinnen Baerbock und Schulze stemmen sich partout dagegen. Schon vor Abgabe der einzelnen Haushaltspläne am 2. Mai rebellieren sie offen. Das Außenministerium, so ist öffentlich zu lesen, könne die Vorgabe von 5,1 Milliarden Euro nicht erfüllen – man brauche gut 2,2 Milliarden Euro mehr. Das Entwicklungshilfeministerium lässt ebenfalls streuen, es brauche zwei Milliarden Euro mehr. Beide argumentieren, die schwierigen Zeiten in der Welt erforderten eher mehr als weniger Hilfen aus Deutschland.

„Das ist so nicht akzeptabel“, donnert Lindner nun zurück, ohne die Namen Baerbock und Schulze auch nur einmal zu erwähnen. Der Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzende zieht deren Argumentation rundherum in Zweifel. Deutsche Steuergelder, die ins Ausland gingen, müssten genau begründet werden. Schon jetzt sei das deutsche Engagement „enorm“. Lindner will in den nächsten Wochen eine gegebenenfalls öffentliche Debatte über das finanzielle Engagement von Baerbock und Schulze führen: „Jedes Projekt, das mit deutschem Geld im Ausland finanziert wird, muss vor den Bürgerinnen und Bürgern begründbar sein.“ 

Damit drohen öffentliche Diskussionen à la Radwege für Lima, für die das Entwicklungshilfeministerium mehrere Millionen Euro zahlt. Unangenehm könnte beispielsweise auch ein öffentlicher Diskurs über Milliardengelder für Indien werden, obwohl es in dem Land florierende Branchen und viele Milliardäre gibt und die Armut dort mit eigenen Mitteln bekämpft werden könnte. Nur eine Auslandshilfe will Lindner keinesfalls in Frage stellen: für die Ukraine. Aus diesem Grunde genießt Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seinen Forderungen nach mehr Geld für 2025 eine Sonderrolle, da es um die Ertüchtigung der Bundeswehr im Schatten des russischen Kriegs in der Ukraine geht.

Am Ende winkt eine „Soliditätsdividende“

Lindner wäre nicht er selbst, würde er nicht auch eine Verbindung zwischen deutscher Entwicklungshilfe und seinem neuen Projekt einer Wirtschaftswende ziehen. Deutschland können nicht immer beim internationalen Engagement ganz vorne spielen, erklärt er zum Abschluss im Bundesrat, „ohne dass dies durch eigene Wirtschaftskraft und demokratische Akzeptanz im Inland unterlegt wird“. Das klingt wie: Wir müssen erst einmal hierzulande unsere Hausaufgaben erledigen und den Standort Deutschland wieder auf Vordermann bringen. Dann aber könnten alle von einer „Soliditätsdividende“ (Lindner) profitieren – vielleicht auch Baerbock und Schulze.

Bis diese Realitäten aus seiner Sicht alle begriffen haben, muss die Rente eben für eine Retourkutsche herhalten.

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