CHEMIEKONZERN: WIE DER BASF-AUFSICHTSRATSCHEF UM SEIN AMT KäMPFT

Einflussreiche Aktionäre haben ihren Widerstand gegen eine erneute Wahl von BASF-Aufsichtsratschef Kurt Bock angekündigt. Ihr Vorwurf: fehlende Unabhängigkeit. Nun formieren sich jedoch auch Unterstützer.

An den Empfehlungen des Stimmrechtsberaters „Institutional Shareholder Services“, kurz ISS, orientieren sich Fondsgesellschaften und institutionelle Investoren, wenn sie über die Tagesordnungspunkte bei Hauptversammlungen abstimmen. Da die Investoren oft nicht in den Details der Unternehmen drinstecken, bietet ihnen ISS zu jedem Tagesordnungspunkt eine entsprechende Handreichung an.

Die Empfehlung, die der ISS, das der Deutschen Börse gehört, zur BASF-Hauptversammlung an diesem Donnerstag gibt, hat es in sich: Die Stimmrechtsberater empfehlen, den amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Kurt Bock nicht wiederzuwählen. Die Begründung: fehlende Unabhängigkeit. Seit 2021 lehnt es der ISS ab, frühere Vorstandschefs nach einer Abkühlungsphase von zwei Jahren an die Spitze des Aufsichtsrats zu wählen. Kurt Bock war von 2011 bis 2018 Vorstandschef von BASF. Seit 2020 steht er dem Aufsichtsrat vor. Schon damals waren davon nicht alle Aktionäre begeistert: Bei der Hauptversammlung erhielt Bock mit 32,71 Prozent ungewöhnlich viele Gegenstimmen.

Top-Frauen suchen bei BASF das Weite

Die Einwände der ISS seien grundsätzlicher Natur, erklärt die BASF – und hätten nichts mit der Arbeit von Bock im Kontrollgremium während der vergangenen vier Jahre zu tun.

Bei anderen Aktionären geht die Kritik an Bock allerdings weiter. So äußert etwa Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit bei der Fondsgesellschaft Deka, weitere Bedenken: „Wir stimmen gegen eine neue Amtszeit von Kurt Bock als Aufsichtsratschef von BASF“, erklärte er vergangene Woche der WirtschaftsWoche und zählte die Gründe auf: „Kurt Bock fehlt es an der erforderlichen Unabhängigkeit, unsere Kritik am Vergütungssystem bleibt seit Jahren ungehört, im Vorstand mangelt es an Diversität und die Aktienkursentwicklung ist alles andere als erfreulich.“ Die BASF kämpft seit Jahren mit hohen Energiepreisen und leidet an der schwachen Konjunktur. 

Den Vorwurf mangelnder Diversität erheben auch andere Beobachter, die sich etwa daran stoßen, dass sich der BASF-Vorstandschef stets aus den eigenen Reihen rekrutiert. So auch jetzt wieder: Nach dem Aktionärstreffen wird Markus Kamieth die Führung des Chemiekonzerns von seinem Vorgänger Martin Brudermüller übernehmen. Kamieth ist seit 25 Jahren bei der BASF, Brudermüller bringt es auf 36 Jahre. Manche lasten Bock auch an, dass er die Top-Managerinnen Saori Dubourg und Melanie Maas-Brunner nicht im Vorstand halten konnte. Beide galten als potenzielle Brudermüller-Nachfolgerinnen. Und beide haben den Chemiekonzern eher im Unfrieden verlassen. Auch unterhalb des Vorstandes suchten einige weibliche Führungskräfte das Weite. Einzige Frau im Vorstand ist derzeit Katja Scharpwinkel, die unter anderem für den Standort Ludwigshafen verantwortlich ist.

Neben aller Kritik erhält Bock jedoch auch Unterstützung. So wird der Stimmrechtsberater Glass Lewis die Wiederwahl von Kurt Bock empfehlen. Die deutschen Fondsgesellschaften DWS und Union Investment favorisieren ebenfalls die Wahl des amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden. „Wir werden für die Wiederwahl von Kurt Bock stimmen“, teilte Union Fondsmanager Arne Rautenberg auf Nachfrage der WirtschaftsWoche mit. Schließlich wäre es „mehr als unglücklich, wenn mit Martin Brudermüller und Kurt Bock gleichzeitig CEO und Aufsichtsratschef das Unternehmen verlassen würden“.

Entscheidend dürfte auch das Votum der zahlreichen Kleinaktionäre sein, die zum großen Teil von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) vertreten werden. Dem Vernehmen nach wollen die beiden Aktionärsvereinigungen ebenfalls für Bock stimmen, auch aufgrund seiner langjährigen BASF-Erfahrung. 

Kurt Bock will Ausschuss-Vorsitz abgeben

Zusammengenommen dürfte das wohl für eine Wiederwahl Bocks reichen. Der selbst aber scheint sich der Sache noch nicht ganz sicher zu sein. In einem Schreiben, das BASF-Aktionäre in diesen Tagen erhielten, versucht er die Gegenargumente von ISS zu widerlegen: „Bei der nun anstehenden Wiederwahl wird mein Ausscheiden aus dem Vorstand der BASF SE im Mai 2018 bereits sechs Jahre zurückliegen. Daher gelte ich nach Einschätzung des Aufsichtsrats der BASF SE als unabhängig.“ Um genügend Zeit für sein BASF-Mandat zu haben, habe er schon vor Jahren andere Aufsichtsratsposten niedergelegt. Zudem sei der Aufsichtsrat unter seinem Vorsitz „vielfältiger und internationaler“ geworden.

So habe er 2022 den Chemiemanager Liming Chen sowie die Bosch-Führungskraft Stefan Asenkerschbaumer in das Kontrollgremium geholt. Liming Chen ist gebürtiger Chinese und hat sein Land etwa beim World Economic Forum vertreten. Auf der anstehenden Hauptversammlung soll auch die Managerin des finnischen Stahlkonzerns Outokumpu, Tamara Weinert, in das Gremium gewählt werden. Seit 2022 gehört zudem die Italienerin Alessandra Genco, Finanzvorständin beim Luft- und Raumfahrtkonzern Leonardo, dem Aufsichtsrat an.  

In einem Punkt ist Bock zudem bereit, auf seine Kritiker zuzugehen. So will er den Vorsitz des Personalausschusses abgeben. Dem Personalausschuss kommt etwa die wichtige Aufgabe zu, die Mitglieder des Vorstands auszuwählen. „Im Falle seiner Wiederwahl“, schreibt Bock, sei Stefan Asenkerschbaumer bereit, Vorsitz dieses Ausschusses zu übernehmen, „da unsere Aktionärinnen und Aktionäre zunehmend erwarten, dass dieser Ausschuss nicht vom Aufsichtsratsvorsitzenden geleitet wird.“

Ob das reicht, um genügend Aktionärinnen und Aktionäre auf Bocks Seite zu ziehen, wird erst das Abstimmungsergebnis am Donnerstag zeigen. 

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